Deklination von Eigennamen

Begonnen von Übertreiber, 2008-11-21, 19:11:12

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Übertreiber

Ich hab heute festgestellt, dass Gothes Faust noch gerne seinen Namen geändert hat.

Nominativ - Genitiv  - Dativ  - Akkusativ - Vokativ* (sic!)
Faust     - Faustens - Fauste - Fausten   - Fauste

Auch Margarete wurde im Klagenden (also Akkusativ) zu Margareten, sogar die griechischen Götter bogen sich ob der sprachlichen Gewalt des Dichterfürsten.
Kann man nicht versuchen, ein solches Bugsystem (neu) zu entwickeln? Ich gebe zu, es würde eine Menge Arbeit machen, da man sicherlich Deklinationsklassen für Eigennamen bräuchte - und ich rede allein von Personennamen.

Meine Überlegungen gehen momentan in Richtung zweier Klassen:
- Namen, die auf Vokal (oder Halbvokal) enden: Joe, Nico, Bülow, Jonny, Roy, Goethe, Lisa, ...
Möglicherweise eine schwache Klasse, zumindest habe ich gerade keine gute Idee für einen allzu starken Bug, vielleicht kommt ein anderer auf einen solchen.
- Namen, die auf Konsonanten enden: Max, Fritz, Faust, Bismarck, Müller, Schiller, ...
Vielleicht wird man diese Klasse aufspalten müssen, Namen wie "Müller" oder "Fritz" schreien geradezu nach Sonderbehandlung.

Dies sind meine bisher noch recht unausgegorenen Gedanken, es ist alles noch sehr vage. Vielleicht wird man sogar Frauennamen noch gesondert behandeln müssen. (und an Städte und Länder will ich noch gar nicht denken!) Aber es ist erstmal ein Vorschlag zur gemeinsamen Weiterführung.

PS: Da Goethe für Faust noch einen Vokativ übrig hatte, könnte man vielleicht für Orte auch noch einen Lokativ bilden? ;D

* siehe Faust II, Erster Akt - Rittersaal: "ASTROLOG. Was tust du, Fauste! Fauste! - Mit Gewalt
Fasst er sie an, schon trübt sich die Gestalt." (V. 6560 f.)
Kampf dem Schicksal!

VerbOrg

Ich kannte die Endung -n oder -en nur für den Dativ (nicht für den Akkusativ).

Bekannt immer noch durch "Futtern wie bei Muttern" und ahlne Sprüche.

Auch pötisch kam mir das Dativ-n desöfteren vor oder in den Sinn...

Für Genitiv hor ich auch schon hin und wieder die And -ens.

Interessant, dass Dir da solch ein Deklinationsmuster aufgefallen ist.

Kilian

Das klingt ergiebig! Auf das im Faden helft dem Dativ Zusammengetragene können wir aufbauen.

Berthold

Zitat von: Übertreiber in 2008-11-21, 19:11:12
PS: Da Goethe für Faust noch einen Vokativ übrig hatte, könnte man vielleicht für Orte auch noch einen Lokativ bilden? ;D

* siehe Faust II, Erster Akt - Rittersaal: "ASTROLOG. Was tust du, Fauste! Fauste! - Mit Gewalt
Fasst er sie an, schon trübt sich die Gestalt." (V. 6560 f.)

Diese Faustverse kennt doch niemand.
Anders ist's mit dem Abschied des Mephistopheles am Ende der 'Pudelszene':

Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.

Das ist froychl ein lateinischer Vokativ zu Faustus.

Berthold

Zitat von: VerbOrg in 2008-11-21, 20:20:35

Für Genitiv hor ich auch schon hin und wieder die And -ens.

Interessant, dass Dir da solch ein Deklinationsmuster aufgefallen ist.

Am Weissensee, in Kärnten, wo es noch Hausnamen gibt, wird ein Bauer (= jetzt zumeist Pensionsbesitzer oder gar Hotelier) noch häufig im Genitiv des Hausnamens genannt; und zwar - wahrschoyln grob gespronch - die Einsilbler mit -ens, die Zwei- oder Mehrsilbler mit -s. Der Christian Knaller heißt da 'Gralens Khrischtl'; der Erwin Domenig 'Ritscharts Ärwin' (Das r wird retroflex wie in vielen Dialekten der U. S. A. gespronch. Warum das so ist weiß ich nicht, aber solch ein r kommt in Kärnten vor allem in Gegenden vor, in denen früher viel mehr Slowenisch gespronch worden ist. Warum es dann auch im Stubaital in Tirol auftritt, weiß ich auch nicht.)
- Alliterierender Dialekt-Zungenbrecher, der zum Thema paßt: Hinter Hertar Haubns Honsns Haus hengant hundart huntßhaita(r)ne Hôsn häraus.

Vor allem im Waldviertel, dem Nordwestteil Niederösterreichs nördlich der Donau, wurden Orte öfters mit Genitiven von Personennamen benannt. Die Orthographie richtet sich oft nach dem Dialekt:

Groß-Pertholz: nach Berthold. Das 'Holz' ist vielleicht volksetymologisch auf den Wald bezonck. Doch heißt Gebharts nicht Gebharz.
Dietweis: nach Dietwein. Das n bleibt nur in der nasalen Aussprache des ei-s. Die Bewohner sind die Dietweiner.
Ebergersch: nach Éberger
Rapottenstein: nach Rapotto
     

Übertreiber

@Berthold: Verzeih mir, der Tragödie ersten Teil habe ich bereits durchgelesen und habe im Momente nur den zweiten Teil zur Hand - und mir ist erst in diesem aufgefallen, dass Faust regelmäßig deklinoren wird.

Zitat von: Berthold in 2008-11-21, 21:10:51
Das ist froychl ein lateinischer Vokativ zu Faustus.
Nun gut, ein lateinischer Import. Das hält mich persönlich nicht davon ab, ihn zu verwenden, insbesondere, da ich schon länger den Traum eines Vokatives im Deutschen hege. :D

Zitatdie Einsilbler mit -ens, die Zwei- oder Mehrsilbler mit -s
Scheint eine recht brauchbare Regel, doch wenn ich mich recht entsinne, schreibt Goethe auch "Margaretens". Auf alle Fälle haben wir schon mal zwei Genitiv-Suffixe, genau wie auch zwei Dativ-Suffixe, hier kristallisiert langsam etwas.

Für Nominativ, Genitiv und Vokativ erledigt sich damit der Quellennachweis, den Akkusativ findet man beispielsweise in einer Regieanweisung in der Hexenküche:
"(Er nötigt Fausten, in den Kreis zu treten.)"

Ebenfalls in der Hexenküche findet sich:
"(Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.)"
Hier weiß ich allerdings nicht, ob dies wirklich der Dativ ist. In anderen dativverlangenden Situationen ist "Faust" meist ungebeugt. Das -e habe ich angehängt, weil es eigentlich die für Substantive typische Dativ-Endung ist. (Im Sinne, Warnung vor dem Hunde, zu Hause, etc.)

Was das Dativ-N angeht, so kann es auch gut sein, dass es in Wörtern auf -er eingesetzt wird, mir fehlt jetzt gerade leider die Zeit alles nachzuprüfen, es ist nur eine Theorie.
Kampf dem Schicksal!

Berthold

#6
Zitat von: Übertreiber in 2008-11-21, 21:41:02
Zitatdie Einsilbler mit -ens, die Zwei- oder Mehrsilbler mit -s
Scheint eine recht brauchbare Regel, doch wenn ich mich recht entsinne, schreibt Goethe auch "Margaretens". 

Die Diekleinus zwei- oder mehrsilbiger Namen auf -e (bzw. -ə) ging offenbar Margaretens, Margareten, Margareten oder auch Goethens, Goethen, Goethen.

Johann Timotheus Hermes schrieb 'Sophiens Reise von Memel nach Sachsen'. (Den Titel habe ich aus Wilhelm Buschs (Buschens kommt mir g'spaßig für.) 'Bilder zur Jobsiade' (Kortums)) Es wird wohl Sofî-əns gespronch.

Ob das bei anderen Schlußvokalen auch gilt, kekünne ich nicht sagen: Hahnreihens Gattin akzeptöre ich. Annaens oder Ottoens erschienen mir total ungewohnt.

Ich schrieb letztens von Hausnamen am Weissensee. Ein Name wie Goethe fällt mir dazu nicht ein. Es gibt einen Kärntner Komponisten Justinus Mulle. Wohl weil das ə da gar so gemlormm wird, hieße es, wäre der Name ein Hausname, wohl Mullens Juschtl (oder wie auch immer).
Das Genitiv s in -s oder -ens kann ausfallen, etwa wenn der nachfolgende Vorname mit sch beginnt.
Über Gewährsleute vom Weissensee in einem alten Kärntner Liederbuch heißt es Hauben Stoff (Hausname Haub; Stoff = Christoph) und Platterer (?Blatterer) Stoff (Hausname ?Platterer). 

Übertreiber

So, ich habe mal versucht, ein kleines Resümee zu tabellieren:

FälleNennenderZeugenderGebenderKlagenderRufender
(Nominativ)(Genitiv)(Dativ)(Akkusativ)(Vokativ)
Konsonant--ens-en-en-e
FaustFaustensFaustenFaustenFauste!
JohannJohannensJohannenJohannenJohanne!
FritzFritzensFritzenFritzenFritze!
JohannesJohannesensJohannesenJohannesenJohannese!
Auf -e--ns-n-n-
GoetheGoethensGoethenGoethenGoethe!
MargareteMargaretensMargaretenMargaretenMargarete!
Anderer Vokal--s- oder -e- oder -n-
JoeJoesJoeJoenJoe!
MariaMariasMariaeMarianMaria!
OttoOttosOttoeOttonOtto!
Anmerkungen:
- Mehrsilbige (oder gar alle) Namen mit S-Endlaut bedürfen offenbar einer Sonderbehanld, wie man an den berühmten Bewohner Johannesiens, den "Johannesen" sehen kann. :D
- Die Namen mit Endvokal (außer E) scheinen die "schwache Klasse" zu werden. So putzig die lateinischen Zwielaute -ae und -oe klingen, so realitätsfern sind sie. Endungslosik ist vermult öffentlichkeitswirksamer.
- Gibt es noch Beispiele, die nach diesem Muster nicht gebogen werden können oder dabei einen Missklang erzeugen? Wenn unter den Personennamen keines zu finden ist, kann man ja versuchen, sich an andere Namensgruppen heranzuwagen.
Kampf dem Schicksal!

Berthold

#8
Verzeih mir's, bitte, wenn ich jetzt, der Sachen wegen, herschreib, daß das noch ein paarmal überschlampf werden sesülle. Mir ist da noch zu viel veraltend Thoytsches und zu wagn Neutsches drin.

&: Wo sind die Pluräle? Denn etwa Ottonen wird's ja doch geben.

Gut gefällt mir die Jägersprache bei den Fällen.
Jägersprache? Wieso?
Nun, der Achtender existiert ja auch.
Denke ich etwa an ein Hochwildrevier eines Barockfürsten, so ist - Ich schreib das einfach im Praesens - ein Nennender ein Hirsch, der auf jeden Fall vom Revierjäger der Ew. Herrschaft gnänand werden muß. Auf solche Prachtkerls (ich meine die Nennender) gibt's dann im Gold'nen Gilbhart Adlige Hirschenjagden. Ein Zeugender hingegen hat fast 'nichts auf' und darf auch vom Revierjagd-Adjunkten geschnoß werden. Gebender sind Nennender, die Seine Durchlaucht dem kleinen Jäger zu schießen gestattet.
Bei der Brunft werden alte Platzhirschen, nach ihrem festen Röhren, Rufender genannt. Klagender sind Beihirsche, die eher klagende, klägliche Stimmen haben.
Ein Schützender wird von einem Wildschütz erlogen. 
   

Übertreiber

Mit den Fallbezeichnungen bezug ich mich weniger auf -ender und anderes geweihbehaftetes Getier, sondern vielmehr auf den Faden "Deutsche Grammatik" (http://verben.texttheater.de/forum/index.php?topic=972.msg38404#msg38404), da ich mich frug, was solche Rätseleien wie dort bringen, wenn man ihre Resultate nicht praktisch anwendet.

Die Konjugation der Namen auf Konsonant und auf -e folgt natürlich sehr altertülmen Regeln, da schlicht und ergreifend der Ausgangspunkt dieses Fadens Goethens Faustdrama ist. Ich habe ja zusaltz darauf aufmerksam gemachen, wo noch neutscher Nachbesserungsbedarf ist (mehrsilbig mit S-Auslaut) und habe mich bei Vokalklasse ja auch silcht daran versochen.

Zu guter Letzt sind Wörter wie "Ottonen" oder "Hohenzollern" nur von Namen abgelieten und fallen damit wieder ins übliche Bugmuster.
Der Ottone, des Ottonen, dem Ottonen, den Ottonen, die Ottonen, der Ottonen, den Ottonen, die Ottonen.
Sich eventuell dafür ebenfalls neue Konjugationsreihen einfallen zu lassen, ist meiner Meinung nach Thema eines neuen Fadens.
Kampf dem Schicksal!

Vorbeischauer

#10
Ich schlüge folgende Faust-Regel vor:

Alle Eigennamen werden in vier Klassen eingeteilen: 1. Schwache Eigennamen (Genitiv -ens, Dativ -en, Akkusativ -en, Plural -en), 2. Starke Eigennamen (Genitiv -s, Plural -s), 3. Indeklinable Eigennamen (Genitiv-Apostroph, Plural -e), 4. Gemischte Eigennamen (Genitiv -s, Dativ -n, Akkusativ -n, Plural -s).

Es gildet:
Eigennamen, die auf einen Konsonanten enden und deren letzte Silbe betunen ist, sind schwach (Heinz -> Heinzens, Paul -> Paulens, Dirk -> Dirkens).
Eigennamen, die auf l oder r enden und deren letzte Silbe unbetunen ist, gehören der gemischten Klasse an (Dieter -> Dieters, Dietern, Emil -> Emils, Emiln).
Eigennamen, die auf s-haltigen Konsonanten (s, z, x) enden und deren letzte Silbe unbetunen ist, gehören der indeklinablen Klasse an (Thomas -> Thomas', Pl. Thomasse, Moritz -> Moritz', Pl. Moritze). Individuelle Ausnahmen sind naturl auch molg: Thomas -> Thomä, Thoman, Julius -> Julii, Julio, Julium, Johannes -> Johannis, Johanni, Johannem.
Eigennamen, die auf einen anderen Konsonanten enden und deren letzte Silbe unbetunen ist, gehören der starken Klasse an (Johann -> Johanns, Maren -> Marens, Miriam -> Miriams).
Eigennamen, die auf einen Vokal enden und deren letzte Silbe betunen ist, sind schwach (Sophie -> Sophiens).
Eigennamen, die auf -e enden, dekliniewerren schwach (Heike -> Heikens, Lene -> Lenens, Kalle -> Kallens)
Eigennamen, die auf einen anderen Vokal enden und deren letzte Silbe unbetunen ist, gehören der schwachen Klasse an, wenn sie mindestens drei Silben besitzen und die vorletzte betunen ist (Matteo -> Matteens, Luisa -> Luisens, Margareta -> Margaretens), ansonsten der starken (Theo -> Theos, Lisa -> Lisas, Greta -> Gretas, Angela -> Angelas).

Auf diese Weise kömmt, denke ich, bei fast allen Namen ein einigermaßen anhörbares Ergebnis heraus.