Ganz nebenbei: neue Storke

Begonnen von versucher, 2005-08-27, 12:28:41

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Agricola

Als Bauer, der auf seinem Erbland mit einer ganzen Zahl von Erblinden redlich im Schweiße seines Angesichtes arbeitet, hoffe ich sehr, dass mir Dein Kennjokus nicht das Augenlicht raube.

Im übrigen hat uns Goethe folgende Erbleiche vermacht:

Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
den die verderblichen,
schleichenden, erblichen
Mängel umwanden.

Ich weiß zwar nicht, wie die Sterblichen formal von den Sterbleichen abgelitten werden, aber mir fiel die Stelle letztens beim Lesen wegen ihrer Zahlensymbolik auf. Der extrem seltene dreisilbige Reim, der gleich dreifach auftritt, der Wechsel vom iambischen ins daktylische (also dreisilbige) Versmaß, all dies kann an der Stelle, an der von der göttlichen Vollkommenheit die Rede ist (nach der mittelalterlichen Musiktheorie die Dreizahl als perfectio im Gegensatz zur Zweizahl, durch die das tempus imperfectum gekennzeichnet ist) nicht zufällig auftreten. Das hätte ich durchaus einem Barockdichter zugetraut, aber bei Goethe nicht erwartet.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#241
Zitat von: Agricola in 2007-07-16, 13:14:24
Im übrigen hat uns Goethe folgende Erbleiche vermacht:

Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
den die verderblichen,
schleichenden, erblichen
Mängel umwanden.

(...) mir fiel die Stelle letztens beim Lesen wegen ihrer Zahlensymbolik auf. Der extrem seltene dreisilbige Reim, der gleich dreifach auftritt, der Wechsel vom iambischen ins daktylische (also dreisilbige) Versmaß, all dies kann an der Stelle, an der von der göttlichen Vollkommenheit die Rede ist (nach der mittelalterlichen Musiktheorie die Dreizahl als perfectio im Gegensatz zur Zweizahl, durch die das tempus imperfectum gekennzeichnet ist) nicht zufällig auftreten. Das hätte ich durchaus einem Barockdichter zugetraut, aber bei Goethe nicht erwartet.
Schön, daß sich jemand auch einmal dieser Stelle annimmt. Für mich war sie immer nur Einloyt zu

Was sucht Ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?

(...)

Diese Fauststelle darf ich recht oft auf Nachrichtenboxes sprechen, wozu es kommt, weil manche alte Freundin dann nicht abhebt, wenn sie erkennen muß, daß wieder einmal ... Na, ihr wißt schon, wie meine ahrchle Aussage weitergeht. Öfters quillt gar die Träne. Ob dem Faust am Gegenpol bisweilen geloonsch wird? 

Crétinius

Zitat von: Agricola in 2007-07-16, 13:14:24


Im übrigen hat uns Goethe folgende Erbleiche vermacht:

Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
den die verderblichen,
schleichenden, erblichen
Mängel umwanden.

Das ist ein hübsches Stück Goethe. Ich benutze es mal als Schablone für ein Ödchen an Euren Rätsellöser Stollentroll:

Rätsel gelosen,
den Gipfel erklommen,
Appläuse bekommen,
kein Beinkleid versommen
Meister der Hosen.

Agricola

Hüpsch! Wenngleich nicht ganz am Modell der Goetheschen Trinität: Goethe reimt nämlich - was wirklich außerordentlich selten ist - mit drei Silben:

Sterblichen,
verderblichen,
erblichen

während hier nur zwei Silben reimen:

erklommen
bekommen
versommen

Trotzdem einen Applaus dem Gast!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#244
Obwohl dies kein Gedichte-Faden ist, schreibe ich noch die erste Strophe eines Schubert-Liedes her ('In der Ferne', aus 'Schwanengesang', Text: Ludwig Rellstab):

Wehe dem Fliehenden,
Welt hinaus ziehenden! -
Fremde durchmessenden,
Heimat vergessenden,
Mutterhaus hassenden,
Freunde verlassenden
Folget kein Segen, ach!
Auf ihren Wegen nach!

Mit drei Silben ist's nur insofern geriemen, als sich die drittletzten (bitunen) Silben echt reimen, während die vorletzten und letzten (unbitunen) Silben identische Reime darstellen - bei Goethe (Zeile 2 - 5) wie auch bei Rellstab (Zeile 1 - 6; bei den Zeilen 7 und 8 bilden auch die letzten Silben, die hervorstechen und die Daktylen sprengen, echte Reime.).
Es sind halt daktylische Reime.   

Echte dreifache Reime sind etwas anderes.
Ich improvisiere:

Es ruht in wilder Flur auf Stein der Hirt.
Wer immer denkt, ich riöhe fein, er irrt.
Ein Schlummertrunk muß sein, drum Wein her, Wirt!
Die Rappen, Kutscher, nach der Einkehr schirrt!
   

Stollentroll

Zitat von: Crétinius in 2007-07-16, 16:13:24
Rätsel gelosen,
den Gipfel erklommen,
Appläuse bekommen,
kein Beinkleid versommen
Meister der Hosen.

Ich bin zu Zähren gerohren   :'(   DANKE   ::)
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Cagador de Pasas

Ich süg', der Bauer
ist ziellig versteuert,
vielleicht nur zerstreuert,
geschenkt überteuert,
ein Neunmalschlauer.

Agricola

Zitat von: Berthold in 2007-07-16, 16:54:11
Obwohl dies kein Gedichte-Faden ist, schreibe ich noch die erste Strophe eines Schubert-Liedes her ('In der Ferne', aus 'Schwanengesang', Text: Ludwig Rellstab):

Wehe dem Fliehenden,
Welt hinaus ziehenden! -
Fremde durchmessenden,
Heimat vergessenden,
Mutterhaus hassenden,
Freunde verlassenden
Folget kein Segen, ach!
Auf ihren Wegen nach!

Mit drei Silben ist's nur insofern geriemen, als sich die drittletzten (bitunen) Silben echt reimen, während die vorletzten und letzten (unbitunen) Silben identische Reime darstellen - bei Goethe (Zeile 2 - 5) wie auch bei Rellstab. Es sind halt daktylische Reime.

Echte dreifache Reime sind etwas anderes.
Ich improvisiere:
Es ruht in wilder Flur auf Stein der Hirt.
Wer immer denkt, ich riöhe fein, er irrt.
   

Danke für das wunderbare Beispiel!

"Dreisilbiger Reim" war vielleicht ein missverständliches Wort in Ermangelung eines passenden Fachwortes. Ich meinte keineswegs einen "dreifachen" Reim.

Faktum bezüglich unserer einfachen deutschen Endreime ist, dass 99,9 % von ihnen entweder in die Kategorie der sogenannten männlichen Reime (auf der letzten Silbe reimend) oder der weiblichen Reime (auf der vorletzten Silbe reimend, mit identischer letzter Silbe) fallen. Dass auf der drittletzten Silbe mit zwei identischen nachfolgenden Silben gereimt wird, ist so selten, dass es dafür meines Wissens keinen gängigen Fachausdruck gibt.

Und was das "versteuert, zerstreuert, überteuert" betrifft, lasse ich mich durch diese Kritik nicht beirren. Wenn wie an dieser Stelle bei Goethe eine Besonderheit subtil als Kunstmittel eingesetzt wird, ist es nicht fehl am Platze, diese Besonderheit auch als solche wiederzuerkennen. Wer's partout nicht erkennen will, dem sei's geschenkt.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#248
Ich hab meine Verslein nun noch ein bisserl erwirntt (> oben).

Berthold

#249
Zitat von: Agricola in 2007-07-16, 18:02:24
Dass auf der drittletzten Silbe mit zwei identischen nachfolgenden Silben gereimt wird, ist so selten, dass es dafür meines Wissens keinen gängigen Fachausdruck gibt.
Beispiele von reichen und erwirntten Reimen hat Peregrinus Syntax (= Ferdinand Hempel) gesnalmm.

Grinsekater

herumgurken, gork herum, görke herum, herumkukurmen/herumkurkumen*

*Dur das Herumgurken zu lange, ward man älter; umso schöner, tat das beschreibungsadäquate Verb einem dies im Partizip nach, indem es sich auf seine lateinische Wurzel ,,cucumis, -eris" besann. Wem es mehr nach Gurke und vielleicht einen Hauch gelb klingen soll, verschiebe das r eine Silbe nach vorne.

AmelieZapf

Hallo zusammen,

ich habe im Moment viel am Hut, deswegen or ich diesem Forum nun schon geraume Zeit abstin. Es kommen auch wieder andere Zeiten. Hier nur ein Gedanke:

"Stänkern" ist zwar schon gestorken, aber mir fiel gestern ein netter Alternativstork der seltenen Kategorie UK dazu ein:

stänkern - ./. - starchte - stärchte - ./. - gestarcht (analog denken)
oder gar kako-K:
stänkern - ./. - strachte - strächte - ./. - gestracht.

Und schon bin ich wieder weg!

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

Günter Gans

Anlalss des augenblilcken Wellengangs hier im Forum:

abebben: abibbt, ababb, abübbe, abibb, gababben;

oder, etwas wuider:

bibbabbt, babbabb, babböbbe, bibbabb, babbgeabben.

Zur Vertun in Mainz (sinkt und lacht) freigegeben.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Agricola

MIAL schreibt heute:

das Volk sollte billiger als zuvor Tee und Kaffee trinken, Zigaretten und Zigarren.

Trotz Großschreibung handelt es sich bei den beiden mit z beginnenden Wörtern eindeutig um Verben. Diese seien nun auch gestorken:

zigaretten, ich rette ziga, du rittst ziga ..., rott ziga, rötte ziga, ritt ziga!, zigagerotten.

zigarren, zigorr, zigörre, zigorren
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#254
Zitat von: Agricola in 2007-09-13, 16:42:26
MIAL schreibt heute:

das Volk sollte billiger als zuvor Tee und Kaffee trinken, Zigaretten und Zigarren.

Trotz Großschreibung handelt es sich bei den beiden mit z beginnenden Wörtern eindeutig um Verben.

Vielleicht sesülle das Volk aber Zigaretten und Zigarren, etwa in Royal Flush Asspoker Black Tea zerstnompf, trinken. (Die Folgen froychl kekünnen furchtbar sein.)
Vergleiche mit dem Satz: Das Volk sesülle mehr Choräle singen, Chansons & Gassenhauer.