Partizipation

Aus GSV


Partizipien der Gegenwart und der Vergangenheit, so viel scheint klar, sind halt Verbformen: Ein frierender Mensch ist halt einer, der friert, und ein Geadelter, nun ja, der wurde geadelt. Wie groß aber ist die Enttäuschung, wenn man z.B. das Verb zu horrend oder zu bekloppt sucht: Hat man schon mal etwas horren oder jemanden jemanden bekloppen sehen? Es scheint sich dabei um Phantomverben zu handeln, die nur in ihrer Gestalt als Partizipien erscheinen. Höchste Zeit, auch den Infinitiven zu diesseitiger Gestalt zu verhelfen!

Im Deutschen

Von Partizipien I

aben
»Wir müssen uns beeilen, es fängt schon an zu aben.«
behen
sich schnell bewegen
dutzen
sich in Zwölfergruppen zusammenscharen
eben
ganz selbstverständlich und natürlich handeln
einschneiden
»Die fünfziger Jahre begannen ca. 1947/48. Da gab es den «New Look» von Dior, die Währungsreform in Deutschland und viel anderes, was einschnitt.« (Max Goldt, Teilchenphysik auf Stammtischniveau)
elen
in Armut leben
»Das Waisenmädchen elt so sehr, dass es nicht einmal weiß, woher es morgen sein Brot bekommen soll.«
fürsorgen
sich liebevoll um jemanden bemühen
herausragen, hervorragen
»Die Späti-Dichte in meinem Kiez ragt nicht hervor.«
hochtraben
mit hohlem Pathos, übertrieben und gespreizt in Ausdruck und Inhalt sprechen oder schreiben
»Seine Enzykliken traben immer so hoch.«
horren
unheimliche Geräusche von sich geben, i.ü.S.a. einfach ungeheuer sein
nacken
nackt sein
»Er wurde verhaften, weil er in der Fuzo rumnuk.«
postwenden
umgehend mit einer wie auch immer gearteten Antwort versehen
stupen
ungeheuer sein
tausen
in großer Zahl vorhanden sein, sich in großen Mengen sammeln
»Die Menschen tausen auf dem Volksfest.«
vielversprechen
Das verspricht viel!
wohlhaben
Vermögen besitzen
»Diejenigen Bürger, die wohlhatten, lebten meistens in den Villenvierteln in Grunewald oder Zehlendorf. Meine Großeltern aber hatten übel und wohnten in einer dunklen Hinterhofwohnung in Kreuzberg.«

Von Partizipien II

abdreschen
Nachdem sie die Redensart erfunden hatten, verbrachten sie die nächsten 50 Jahre damit, sie abzudreschen.
abfeimen
→ durchtreiben, → verschlagen, → versieren, → wiefen, → witzen
»Wenn ich ihn noch ein wenig abfeime, wird ein rechter Schurke aus ihm.«
abgreifen
durch Berühren abnutzen
abneigen
jemanden gegen etwas oder jemanden abgeneigt machen
»Ihre unterschiedlichen Geschmäcker niegen sie einander ab.«
abschmenken (schmackte ab)
Als Politiker sollte man darauf achten, dass man seine Reden nicht mit der Zeit immer mehr abschmenkt
abspacen
»Dieses Handy ist ein wenig 2004, aber wir können es noch abspacen, indem wir ein halbtransparentes Sichtfenster in den Deckel machen.«
abstehen
»Wem gehört denn das Glas Wasser, das schon seit einer Stunde nicht angerührt wurde? Das steht doch ab!”
angebären
»Die Mutter gebar ihrem Kind eine hohe musikalische Begabung an.«
anstammen
»Ihre Familiengeschichte hatte ihr das Anwesen angestammt.« (https://de.wiktionary.org/wiki/anstammen)
antun
»Dieser Gedanke begeistert mich, er tut mich sehr an.«
anweisen
»Sein Lungenleiden wies ihn auf ständige ärztliche Betreuung an.«
arten
»Ihr Schöpfer artete sie grundgütig.«
aushoren
einige Stunden (horas) an einem geographischen Ort verbringen, um ihn auszukundschaften
»Nicht jeder Platz wird gleich gerne ausgehort. Ausgehorte gibt es vor allem in landschaftlich reizvollen Stadtrandgebieten.«
auswiegen
»Ich muss das Verhältnis von Öl und Essig noch ein bisschen auswiegen.«
behelmen
mit einem Helm versehen
beklimmen
»Die Situation in der Klasse am ersten Schultag beklimmt so manchen Schüler. Meine Tochter beklömme sie sicher auch, wenn sie nicht gemeinsam mit ihrer besten Freundin eingescholen würde.«
bekloppen
»Der Regisseur hatte gute Ideen, aber der Produzent bekloppte den Film völlig.«
beknacken
belämmern
belesen
»Wie wahrscheinlich jeder, der gerade eine Diagnose gestellt bekommen hat, belese ich mich über meine Krankheit im Internet.« (Edgar Dahl: Die Dame in Schwarz)
»kennt jemand gute (deutsche) Einführungstexte zu Transgender. Brauch da was zum Belesen meiner Familie.« (Tweet von authmillenon, 2014-10-19)
beleumunden
ein Leumundszeugnis für jemanden ablegen; eine Aussage über jemandes Ruf machen
belieben
»In der Schule belaben die anderen Kinder immer nur meinen Bruder. Ich blieb leider unbeluben.«
benehmen
»Ich benahm ihn mit einem Fausthieb. Jetzt ist er ganz benommen.«
berüchtigen
berühmen
beschelten
»Man ist so lange unbescholten, bis einen jemand beschilt.«
bescheuern
besorgen
»Ihr Fernbleiben besorgte mich.«
betuchen
»Der Erfolg seiner Textilfabrik betuchte ihn in wenigen Jahren.«
Anmerkung: Freilich gibt es das Verb bereits in anderer Bedeutung, wenngleich es fast vergessen ist. In Pierers Universallexikon steht es: »Betuchen, bei Clavieren in die Saiten zwischen den Ösen, wo sie angehängt sind, u. der Stelle, wo die Hämmer der Tasten anschlagen, Tuch einflechten.« Das sollte aber kein Hinderungsgrund sein, an dem Wort »betucht« zu partizipieren, zumal heutige Konzertflügel in keiner Weise betucht sind bzw. werden können.
blümen
»Den Nachmittag verbrachte sie mit dem Blümen der Tischdecke.«
deichen, dick, gediegen
reinigen, veredeln
Anmerkung: gediegen ist ursprünglich das Partizip zu "gedeihen", hat sich dann aber selbstverstandogen, und gedeihen hat sich ein neues (etwas schwächeres, aber immer noch starkes) Partizip zugelogen. Daher braucht "gediegen" nun ein neues Grundverb. Es sollte schon etwas stärker sein, deshalb nicht einfach "diegen".
durchtreiben
schläuen, verschlagen, listigen, pfiffigen
»Der Teufel durchtrieb ihn bis zu völligen Durchtriebenheit.«
eignen
geeignet machen
»Sie müssen die Verbform für eine weibliche Person eignen.«
einbären
... ist, wenn eine Ureinwohnerin ein Kind gebiert
»Die Häuptlingsgattin bar ihren ersten Sohn ein.«
endiehen (endog, endogen)
aus dem Inneren hervorkommen, im Inneren wachsen (Ggs. exiehen)
»Die Erdkruste wird ständig von endiehenden und exiehenden Substanzen verändert. Daher unterscheidet man in der Geologie zwischen endogenen und exogenen Gesteinen, etwa Granit, das aus Vulkanen endieht, und Meteoritengesteinen, die aus dem interplanetaren Raum exiehen.«
entliegen
verkehrsungünstig liegen
»Die Fördermittel sind dafür vorgesehen, entlegene (=entliegende) Ortschaften für ihre Nachteile gegenüber an den Hauptverkehrsadern gelegenen (=liegenden) Ortschaften zu entschädigen. Orte, die in den Genuss dieser Fördermittel gelangen wollen, müssen den Nachweis erbringen, dass sie entliegen.«
erpechen
jemanden auf etwas begierig machen
»Der Erfolg seines Widersachers erpach ihn auf den nächstjährigen (oder »nachjährigsten« nach katakura) Sieg.«
erstinken
»Was wir nicht erstinken können, müssen wir erlügen.«
exiehen (exog, exogen)
siehe endiehen
feien
abhärten, widerstandsfähig machen, schützen
»Ob eine emotional gefestigte Familie alleine die Kinder gegen Suchtgefahren feien kann, ist nicht sicher.«
finkeln
schläuen, durchtreiben, reißen
»Die Rätselhefte finkelten ihn ungeheuer.«
geliegen
1. dauerhaft platzieren, 2. passend machen, es jdm. recht machen
»In der Bibel geliegt Gott den Baum der Erkenntnis in den Garten Eden.«, »Die Stadtgründeren gelagen Hamburg direkt an die Elbe.«, »Das müssen wir den Gästen noch geliegen.«
gewohnen
gewohnt machen
»Der tägliche Umgang gewohnte ihm die neuen Maschinen schließlich.«
gleichsinnen
»Mit seinem gewinnenden Wesen sinnte er sich die Menschen gleich.«
harnischen
»Er war mit der Beschwerde-E-Mail nicht zufrieden und harnischte sie noch etwas.«
kandideln
»Wenn die nächsten Erfolge ihn weiter so kandideln wie es die letzten schon taten, wird er wohl bald überkandidelt sein.«
launen
»Das Wetter heute drückt auf meine Laune. Es launt mich schlecht.«
missvergnügen
»Sie missvergnügt sich ob des schlechten Wetters.«
prädestinieren
»Er prädestiniert sich so für den Job.«
scheien
»Sie ist sehr gescheit. War es ihr Genom, das Elternhaus oder die Schule, das sie so schie?«
sitten
kultivieren, bilden, wohl erziehen, den Sitten entsprechend formen
»Man konnte nichts sagen, ihre Eltern hatten sie wohl gesittet.«
trosen
zuversichtlich sein
überliegen
stärker sein
»Manch einer, der zu überliegen glaubte, unterlag schließlich seinem Gegner.«
umstreiten
»Die Medien umstreiten ihn seit jener unsensiblen Äußerung.«
verblümen
beschönigen (schöner Übersatz für engl. (to) sugarcoat)
»Ich werde die Situation nicht verblümen.«
verflixen
»Wer hat das siebte Jahr verflixt?«
verfrieren
jmdm. Scham und Anstand beibringen
»Wen man nicht beizeiten verfriert, der bleibt sein Lebtag unverfroren.«
verpeilen
»Schon geringe Mengen Haschisch verpeilten sie stets ungeheuer.«
verruchen
»Der Junge ist talentiert, aber zu anständig. Wir müssen ihn ein wenig verruchen.«
verschallen
in die Unauffindbarkeit verschwinden (verschallen ist zwar bereits offiziell der Infinitiv zu verschollen, jedoch bisher nicht offiziell in dieser Bedeutung)
verscheiden
unterschiedlich, verschieden machen
»Ich verschied die beiden Objekte und seitdem sind sie verschieden.«
verschlagen
jmdn. arglistig, hinterhältig, heimtückisch machen
verschlingen
»Dieser Schriftsteller schreibt deshalb so verschlungene Sätze, weil der Alkohol sie ihm verschlingt.«
verschmitzen
auf lustige Weise schlau machen
»Du kannst dein Lebtag auf einen verschmessenen Menschen warten, oder du kannst einen nehmen und verschmitzen!«
verschrauben
jemandem absonderliche Züge verleihen
»Die Einsamkeit auf einer kleinen Insel kann selbst die geselligsten Menschen allmählich verschrauben. Mich verschrob sie schon während eines dreiwöchigen Urlaubs fast.«
versieren
jmdn. mit Kenntnis und Erfahrung ausstatten
»Meister, versiere mich in der Kunst des Schwertkampfes!«
versinnen
sich in Gedanken verlieren
vertracken
etw. verkomplizieren
»Der Schurke hatte sich wahrlich alle Mühe gegeben, den Fall für die Ermittler zu vertracken.«
sich verwegen
sich frisch zu etwas entschließen
verwegen
»nichts verwog seinen Blick, als er sie ansah.« (Gestorken übrigens: Er sah sie unverwogen an.)
verwenden
»Durch Heirat verwandt meine Schwester mich mit meinem jetzigen Schwager.«
vorhanden
»Zunächst war kein Kaffee vorhanden, aber dann vorhund Robert welchen.«
wiefen
jmdn. mit Schläue und allen Tricks ausstatten
willen
jmdn. dazu bewegen, eine Absicht zu haben
»Du bist nicht gewillt zu handeln? Dann muss ich dich wohl dazu willen.«
winteraufen (eraufe wint, eroff wint, winteroffen)
einen Pass im Winter nicht für den Verkehr schließen
witzen
jmdn. gedankenschnell oder geistreich machen
wohlsinnen
etwas gut mit einem meinen
zudenken
jmdm. etwas unterstellen oder zuschreiben

Im Englischen

Von past participles

eastbind, northbind, southbind, westbind
sich nach Osten/Norden/Süden/Westen wenden
“Since the sky looked brightest in the south, the expedition decided to southbind.”

Siehe auch